Sachverhalt:

A hat bei B eine „Einzel-Unfallversicherung für Berufs- und Freizeitunfälle” abgeschlossen. Dem Versicherungsvertrag wurden die AUVB 1999/SS 11 zugrunde gelegt.

Der betreffende Versicherungsantrag wurde von A unterfertigt. Die Sportarten „Klettern oder Extremklettern” waren im Antragsformular als Sonderrisiko explizit nicht angeführt und der Begriff „Sonderrisiko” wurde nicht weiter definiert. Nach der Absicht des Versicherers sollten Sportarten, die mit besonderen Gefahren verbunden sind, von der von A angekreuzten Rubrik nicht erfasst sein. Um derartige Risken in den Versicherungsschutz einzubeziehen, wurde die Möglichkeit geboten, die „Mitversicherung Sonderrisiko” abzuschließen.

Auf die von A ausgeübte Sportart „Klettern” bzw. „Extremklettern” hat er im Antrag nicht hingewiesen. Diese Sportart bildete bei der Antragstellung kein Gesprächsthema.

Am 19. 8. 2002 hatte A beim Klettern in der Dachsteinsüdwand einen Unfall: Er stürzte auf einer Route der Schwierigkeitsstufe 5 + bis 6 ins Seil und zog sich dabei einen Bruch der körperfernen Schienbeingelenksfläche und einen unverschobenen Bruch des Sprungbeinkopfes zu. Dies führte zu einer beginnenden posttraumatischen Arthrose im Bereich des oberen Sprunggelenkes und auch im Bereich des Talonaviculargelenkes, was endlagige Bewegungseinschränkungen im Bereich des oberen Sprunggelenkes auf der rechten Körperhälfte bewirkte. Der damit einhergehende Grad der Invalidität beträgt 10 % des Beinwertes.

Entscheidung: (Auszüge aus 7 Ob 30/05w)

Nach ständiger Rechtsprechung dürfen Risikoausschlüsse als Ausnahmetatbestände, die die vom Versicherer übernommene Gefahr einschränken oder ausschließen, nicht weiter ausgelegt werden, als es ihr Sinn unter Betrachtung ihres wirtschaftlichen Zweckes und der gewählten Ausdrucksweise sowie des Regelungszusammenhanges erfordert. Den Beweis für das Vorliegen eines Risikoausschlusses als Ausnahmetatbestand hat der Versicherer zu führen.

Von diesen Grundsätzen ausgehend, kann der vom Berufungsgericht unterstellte Risikoausschluss (sekundäre Risikobegrenzung) für (ganz allgemein) „mit besonderen Gefahren verbundene Sportarten” weder nach den in erster Linie maßgebenden, dem gegenständlichen Versicherungsvertrag zugrunde gelegten AUVB 1999/SS 11, noch in Ansehung des von A unterfertigten Antragsformulars der B angenommen werden. Die Sportart (Extrem-)Klettern wird in den AUVB 1999/SS 11 und insbesondere in deren die Risikoausschlüsse behandelnden Art 18 nicht erwähnt. Die im Antragsformular vorgenommene beispielhafte Aufzählung eines (mitversicherbaren) Sonderrisikos „Drachenfliegen, Paragleiten, Ballonfahren, Hängegleiten, Gleitschirmspringen” nennt ausschließlich gefahrengeneigte Flugsportarten, die nach Art 18.1 ausgeschlossen wären.

Da nach der für entgeltliche Rechtsgeschäfte unter Lebenden geltenden Vertrauenstheorie nicht die Absicht des Erklärenden entscheidend ist, sondern es darauf ankommt, wie ein redlicher Empfänger eine Erklärung objektiv verstehen durfte, kommt dem ausdrücklich festgestellten Umstand, dass nach der Absicht der B Sportarten, die mit besonderen Gefahren verbunden sind, von der von A angekreuzten Rubrik nicht erfasst sein sollten und diesbezüglich nur die Möglichkeit geboten worden sei, eine „Mitversicherung Sonderrisiko” abzuschließen, keine Entscheidungsrelevanz zu.

Auch die Erwägungen des Berufungsgerichtes und der Revisionsgegnerin in Richtung einer Anzeigepflicht der Ausübung des Extremklettersportes durch A nach § 16 Abs 1 VersVG, ohne dass diesbezüglich nachgefragt worden wäre, sind nicht stichhältig. Nach herrschender Meinung sind nicht ausdrücklich nachgefragte Umstände nicht schon wegen ihrer objektiven Gefahrenerheblichkeit mitzuteilen, sondern nur dann, wenn sich eine Frage konkludent auch auf sie bezieht, oder wenn ihre Mitteilung als selbstverständlich erscheint. Im vorliegenden Fall musste A, da nur bestimmte, sehr gefährliche Flugsportarten in Art 18 AUVB 1999/SS 11 ausdrücklich ausgeschlossen, sonstige, nicht wettbewerbsmäßig ausgeübte Risikosportarten aber sowohl in den AUVB, als auch im betreffenden Antragsformular unerwähnt blieben, nicht davon ausgehen, dass B die Sportart Extremklettern vom Versicherungsschutz ausschließen wolle. Er hat daher dadurch, dass er bei Vertragsabschluss nicht erwähnte, diese Sportart auszuüben, keine Anzeigeobliegenheit verletzt.

Da also A eine Verletzung seiner Anzeigepflicht iSd § 16 VersVG nicht vorgeworfen werden kann, ist entgegen der Ansicht der Vorinstanzen Versicherungsdeckung hinsichtlich des gegenständlichen Unfalles gegeben.

Kommentar (Peter Gloß):

Aufgrund diese Entscheidung haben viele Versicherungsgesellschaften das Kletterrisiko ausdrücklich in die Bedingungen aufgenommen. Dabei wird regelmäßig das Risiko bis zu einem bestimmten Schwierigkeitsgrad (meist UIAA 5 oder 5+) begrenzt.

Ein darüber hinausgehender Schutz wird nur im Rahmen eines zusätzlich abzuschließenden Sonderrisikos gewährt. Will man beispielsweise eine Deckung bis zum Schwierigkeitsgrad UIAA 8, dann muss man hiefür für dieses Sonderrisiko eine höhere Prämie bezahlen.