Nordwandattacke


29 Matterhorn Nordwand Versuch

Endlich Sommerbeginn, Sonnwende und längster Tag – wer denkt hier noch an Schnee und Eis? Gemeinsam mit Michl ging es Richtung Zermatt, um uns hier einen lang ersehnten Traum zu erfüllen: Die Durchsteigung der Matterhorn Nordwand. Das Wetterfenster war perfekt und auch die Verhältnisse sollten ganz gut sein.



Der Klassiker “Matterhorn” Hörnligrat und rechts die Nordwand


Um uns keinen Druck zu machen, fuhren wir gemütlich nach Zermatt, um uns ein wenig zu akklimatisieren. Von dort ging es am nächsten Tag zu Fuß Richtung Hörnlihütte, da die Seilbahn noch nicht fuhr. Da wir aber das gute Wetterfenster unbedingt ausnützen wollen, blieb uns nur der gemütliche Aufstieg. Was noch zusätzlich dazu kam war, dass die Hütte zurzeit umgebaut wird, somit gab es nur ein Biwak bei der Hörnlihütte. Gemütlich waren wir am frühen Nachmittag auf der Hütte.

Zustieg, ohne Seilbahn und ohne Hütte

Dort gab es nur eine große Baustelle, auf der wir eine super Biwakmöglichkeit fanden. Um in der Früh Zeit zu sparen, checkten wir noch den Einstieg. Der Schnee war sehr weich, was mich ein wenig skeptisch machte. Jedoch erwarteten wir eine klare Nacht, was bedeuten würde, dass die Schneefelder durchfrieren würden.

Sonnenaufgang in der Nordwand

Um 01:00 läutete der Wecker und alles lief vollautomatisch: kochen, frühstücken, zusammenpacken und los. Die Schneedecke war hart und somit ging es Richtung Nordwand. Der Einstieg war relativ schnell gefunden und die Kletterei nicht so schwer. Im oberen Teil wurde es dann mit Wegfindung und Verhältnissen anspruchsvoller und somit wurden wir langsamer. In der einen oder anderen Seillänge kletterten wir ohne Eisen, da der Schnee sehr weich war.

Im Mittelteil der Nordwand

Dort wo die Sonne reinknallte und kein Wind ging, war es überhaupt super anstrengend! Weich, brüchig und mühsam. Aber wir kamen voran und dort wo Schatten war, ging es wieder besser, bis zu dem Zeitpunkt als Michl beim Wechseln eines seiner Eisen verlor. Super Schei…. Nach ein paar Versuchen war uns klar, dass wir die Wand so nicht mehr durchsteigen können.

Getrübte Stimmung beim Warten auf den Heli

Auch an einen Abstieg war eigentlich nicht mehr zu denken. Die vielen Quergänge und Eisfelder würden wir nicht ohne Abklettern schaffen und somit gab es für uns zu diesem Zeitpunkt nur eine Alternative – Notruf absetzen und auf die Hubschrauberbergung warten. Es war eine sehr harte Entscheidung, da wir beide, Michl und ich, noch nie auf eine Bergung angewiesen waren und das im Herzen eigentlich ablehnten. Aber es gibt Situationen, da müssen auch sehr unangenehme Entscheidungen getroffen werden.

Wir hatten nach wie vor perfektes Wetter und keinen Stress für unseren Notruf. Nach nochmaliger Überlegung und der Suche nach Alternativen wählten wir direkt ohne PIN Eingabe die 112. Das wollte ich immer schon mal ausprobieren und es funktioniert! Es meldete sich die Notrufzentrale und diese verband uns weiter. Einfach in der Leitung bleiben und auf die Weiterleitungen warten. Dann hatten wir die AIR ZERMATT am Handy. Da wir unverletzt waren, war auch die Bergung relativ entspannt. Aus der Literatur kannte ich den Ablauf, aber live ist das dann nochmal sehr spannend.

Jetzt kam der Hubschrauber und checkte die Lage. Danach verschwand er wieder, um den Retter an ein Bergetau (schätze 80 m) zu hängen. Der Retter flog direkt zu unserem Stand und klinkte sich am Stand ein und aus dem Hubschrauber aus. Der Hubschrauber flog dann aus der Wand und blieb auf hold. Unser Bergretter Bruno Jelk, Chef der Bergrettung in Zermatt, flog seinen 77. Einsatz in der Nordwand und war super professionell und sehr freundlich. 5 Minuten später kam der Hubschrauber wieder und wir klinkten uns im Bergetau ein. Dann ein kurzer Schwenker weg von der Wand und mit 1000 m Luft unterm Hintern ging es Richtung Hörnlihütte zum Hubschrauberlandeplatz. Dort warteten wir noch auf den Flugretter, der noch in der Wand hing. Am Landeplatz packten wir das Zeug zusammen und quetschten uns in den Hubschrauber. Zu fünft ging es dann zum Landeplatz in Zermatt. Dort zahlten wir die Bergung (ca. 1400 € pro Person) mit Visa und fuhren wieder zu unserem Parkplatz zu unserem Bus.

10 Minuten später auf der Air Zermatt Basis

Beide konnten wir die Situation noch nicht verarbeiten. Es war eine Gefühlsachterbahn. Einerseits waren wir super frustriert, weil wir gescheitert waren, andererseits waren die Strapazen jetzt vorbei und der Hubschrauberflug war schon sehr spannend. Die Tatsache, dass wir den Hubschrauber gebraucht hatten, überschattete aber alles. Die Stimmung war angeschlagen und das bei unserer ersten Tour. Perfektes Wetter und das sollte auch so bleiben. Heimfahren? Mountaintrip abbrechen? Wunden lecken? Auch keine Option. Für den nächsten Tag planten wir einen Ruhetag.

Erholsamer Ruhetag

Auf einem Übungsplatz durfte ich das „Verkehrt Aufziehen“ mit meinem Gleitschirm lernen und am Nachmittag fuhren wir nach Zermatt auf ein Bier und einen Kaffee und um neue Steigeisen zu kaufen. Michl kaufte sich das G20 von Grivel, jedoch noch mit altem Mittelsteg, was Huber letztes Jahr zum Verhängnis wurde und er auch ausfolgen musste. Der Verkäufer bestellte jedoch gleich den neuen Steg und für die paar Tage sollte der alte Steg schon halten. Interessanterweise hat Grivel hier keinen offiziellen Rückruf gemacht. Eh kloar – typisch Grivel… Haben zwar gutes „Eisenmaterial“, aber ein super schlechtes Service!!!

Zustieg zur Monte Rosa Hütte

Auf einem super Campingplatz genossen wir den schönen Tag, um anschließend voll motiviert unsere Rucksäcke zu packen. Diesmal war unser Ziel das Monte Rosa Massiv und die Liskamm Nordwand. Die Hütte war faktisch neu und sehr lässig. Super Leute, gutes und ausreichendes Essen, sehr wenig Leute und gutes Wetter ließen unsere Herzen wieder höher schlagen. Die vergangen Tage waren „fast“ vergessen und wir hatten neue Ziele und waren hoch motiviert.

Der Gletscher zur Monte Rosa Hütte

Unsere erste Tour war die Dufourspitze über den Silbersattel. Da wir noch viel Schnee hatten, entschlossen wir uns, die Ski zu nehmen. Jimmy, ein Bergführer aus der Schweiz, war mit zwei Gästen unterwegs und hatte auch die Ski dabei. Später stellte sich heraus, dass wir bei diesen Wahnsinnsschneeverhältnissen die einzigen mit Skiern waren. Auf jeden Fall wollten die drei auch auf die Dufourspitze bzw. primär auf den Silbersattel.

Unglaublich – einfach perfektes Timing

Anfangs war die Sicht aber leider extrem schlecht. Ich schätze 10 Meter Sicht. Jimmy war mit seinen Leuten jedoch schon einiges früher unterwegs und wir wollten erst mit Tageslicht starten. Somit konnten wir anfangs der Spur folgen und trafen dann auf die drei. Aufgrund der Sichtprobleme und Knieschmerzen von einem der Gäste beschloss die Gruppe umzudrehen. Als wir zum Umkehrpunkt kamen, passierte ein kleines Wunder. Es riss auf und der stark zerklüftete Gletscher glänzte in voller Pracht. Hui, dachte ich mir als ich die fetten Spalten sah.

Pah, das waren fette Spalten

Wir fanden aber einen guten Weg durch diese und die fetten Seraks, bis wir am Silbersattel waren. Von dort geht es dann über leichte Kletterei auf die Dufourspitze, die mit ihren 4634 m der höchste Punkt in der Monte Rosa Gruppe und der zweithöchste Gipfel Europas ist. Leider war die Sicht wieder schlecht und wir hatten keine Aussicht, aber endlich einen Gipfelerfolg.

Gipfelsieg auf der Dufourspitze 4634 m

Relativ rasch ging es wieder hinunter zum Silbersattel. Dort schnallten wir uns die Ski an, schließlich hatten wir Pulverschnee. Und dann war es unglaublich. Wieder riss der Nebel auf und zeigte unsere Spur. Über die großen Spalten fuhren wir mit Seil und dann gab es ungebremsten Pulvertraum in einer Wahnsinns-Landschaft und das komplett alleine. Ein Traum…

Unglaubliche Verhältnisse… Pulver, Pulver, Pulver

Auf der Monte Rosa Hütte fühlten wir uns wieder richtig gut und motiviert für neue Taten, somit war das nächste Ziel relativ klar: die Liskamm Nordwand, die uns auch schon länger reizte.

Fette Nordwand mit anderen Dimensionen

Ich weiß nicht, wie oft Michl an der Wand schon vorbeigegangen ist, aber bis jetzt hatte er keinen Kletterpartner. Voller Motivation stellten wir diesmal unseren Wecker auch auf 02:00, um früh starten zu können.

Zustieg zur Liskamm Nordwand

Der Zustieg war relativ logisch und Jimmy gab uns ein paar gute Zustiegstipps. Die Nordwand sah von unten sehr blank aus, was uns jedoch überhaupt nicht störte. Kostet vielleicht ein bisschen mehr „Strom“ in die Haxen, aber gutes Eis würde auch gute Sicherungen erlauben.

Michl im Mittelteil der Nordwand

Somit waren wir anfangs relativ flott unterwegs. Gleichzeitiges Gehen bis es die Wadln „zreist“.

Michl in einer der steileren Stellen

Weiter oben wurde es aber richtig mühsam und zach. Grundloser Schnee, Sulz und schlechte Sicherungsmöglichkeiten ließen uns langsamer werden. Teilweise sicherten wir mit unseren Skiern und bauten einen „Toten Mann“. Mittlerweile war die Sicht faktisch null, obwohl der Wetterbericht etwas anderes prognostiziert hatte.

Michl bei immer schlechter werdenden Sichtverhältnissen

Schließlich erreichten wir endlich den Liskamm Ostgipfel. Mit Karte und Kompass navigierten wir dann runter zum Lysjoch. Am Kamm brauchten wir fast eine Ewigkeit. Extrem viel Schnee, starke Wechten und Orientierungsprobleme machten den Abstieg zu einer wahren Herausforderung.

Am noch leichten Teil vom Grat

Als wir unten am Lysjoch waren, waren wir beide erleichtert. Dort entschieden wir uns dann nicht wie geplant auf die Monte Rosa Hütte abzusteigen, sondern auf die Gnifetti Hütte, weil auf dieser Seite die Sichtbedingungen gut waren. Der Grenzgletscher bei der schlechten Sicht wäre eher gefährlich gewesen und das Risiko wollten wir nicht eingehen.

Perfekte Abfahrt

Somit schnallten wir uns die Ski an und waren 30 Minuten später auf der Hütte und das wieder im herrlichen Pulverschnee. Jimmy war bereits mit seinen Gästen auf der Hütte und gemeinsam feierten wir unsern Nordwandattacke.

Abendessen nach 15 Stunden

Der nächste Tag war dann super gemütlich. Ausschlafen bis 05:30 und gemütlich frühstücken. Der absolute Hammer war, dass wir mit Jimmy und seinen Gästen die einzigen mit Skiern waren und das bei perfekten Schneeverhältnissen. 30 cm Pulverschnee auf fester Auflage! Die Hütte war ziemlich voll und anfangs gab es noch ziemlich viel Hektik, die sich bald nach draußen verlagerte.

Auf der Pyramide de Vincent 4215 m

Somit waren wir alleine in der Hütte und frühstückten. Zwei Bergführer zogen sich noch die Schuhe an und hatten ein wenig Stress – scheinbar doch Arbeit und nicht immer lustig die Führerei J. Jetzt waren wir komplett alleine. Stressfrei und bei perfekten Verhältnissen starteten wir als Letzte. Ich zählte 46 Leute über uns und alle ohne Ski… Somit hatten wir alle schnell überholt und sammelten unsere 4000er Gipfel: Piramide Vincent (4215 m), Punta Giordano (4167 m), C. no Nero (4322 m),  P. ta Parrot 4436 m und die Signalkuppe (4554 m).

Gipfelsieg Punta Giordano 4167 m

Auf der Signalkuppe checkten wir uns dann noch einen Kaffee, um anschließend über die grenzgeniale Abfahrt über den Grenzgletscher und zur Monte Rosa Hütte abzufahren. Bei der Abfahrt hatten wir alle Schneezustände. Pulver, harter Firn, Firn, ein bißchen Sulz – einfach geil.

ohne Worte

Auf der Monte Rosa Hütte packten wir dann unser Zeug und beglichen unsere Rechnung. Super Hütte, aber sicher nicht günstig :-).

Der Aufstieg zum Rotenboden mit schwerem Gepäck

Der Abstieg zum Rotenboden war dann nochmal ein bisschen anstrengend, aber in zwei Stunden war das dann auch erledigt. Mit dem Zug ging es dann nach Zermatt und zu unserem super Campingplatz, wo wir noch eine schöne Nacht verbrachten. Am nächsten Tag ging es dann in einem Zug nachhause und so hatten wir das Wochenende noch für die Familie. Danke Michl für diese spannende, lehrreiche und super geniale Woche!

Danke Michl

Chronologische Zusammenfassung
1. Tag Zermatt – (1616m)  Zustieg Hörnlihütte – Matterhornhütte (3260m)
2. Tag Matterhorn Nordwand (4478m) (Versuch – Abbruch bei 3900m)
3. Tag Ruhetag
4. Tag Gornergratbahn Rotenboden 2815m) Aufstieg Monte Rosa Hütte (2883m)
5.Tag Silbersattel (4515m) – Dufourspitze (4634m) Höchster Punkt der Monte Rosa Gruppe
6.Tag Liskamm Nordwand (4527m) Abstieg über Ostgrat zum Lysjoch (4151m) – Gnifetti Hütte (3648m)
7.Tag Piramide Vincent (4215m) – Punta Giordano (4167m) – C. no Nero (4322m) – P. ta Parrot 4436m – Signalkuppe (4554m) – Abfahrt über Grenzgletscher – Rotenboden (2815m)

Bilder zu den Touren: Monte Rosa Gruppe und Matterhorn Versuch

schöner günstiger Campingplatz & Bustransfer nach Zermatt: www.camping-randa.ch

 Alles über die Rückerstattung beim OEAV (Formulare, Versicherung, usw) … OEAV Mitglied zahlt sich aus!

Bericht auf www.strabag-alpinteam.at

  1. MountainRudi am 2. August 2016

    Hallo Jungs, echt schade, dass Euch ein Steigeisen fliegen gegangen ist. Ihr werdet bestimmt nochmal an der Wand angreifen.
    1975 bestiegen wir, Kurt Ringhofer und ich, die Matterhorn-Nordwand bei totaler Vereisung der ganzen Wand in 36 Std. mit Biwak in der Wand.
    Ein Jahr zuvor, 1974, schafften wir den Hörnligrat im Auf und Abstieg in 4Std.10Min. Damals schnellste Begehung einer Zweierseilschaft.
    Viel Glück in den Bergen
    Rudi

    • :-), lässig bin erst 1976 auf die Welt gekommen – 4h 10min ist echt flott :-), vielleicht trifft man sich mal in den Bergen. liebe Grüße Flo

  2. super Fotos und tolle Touren – wie immer Flo!!

  3. Willy Kreuzer am 1. Juli 2014

    DU BIST EIN WÜDER ( = WILDER ) HUND, FLORIAN ! Aber damit sage ich nix Neues !

  4. Walter am 1. Juli 2014

    servus flo,

    saustarker bericht!!! gefällt mir sehr gut :) powder um die jahreszeit is ja a traum
    viel Glück beim nächsten Versuch ;)

    lg

  5. Nach eurer – nachgträglich gesehen – wahrscheinlich vernünftigen, aber auch schmerzhaften Entscheidung habt ihr dennoch ordentlich zugeschlagen! Gratuliere! Und das Matterhorn wird auch sicherlich noch irgendwann in die Tourenliste aufgenommen … :)

  6. Danke, Flo!
    War mir ebenfalls eine Ehre, mit dir zu klettern!
    Allerdings nagt “unser” Scheitern am Matterhorn noch immer gehörig an meinem Ego und Selbstvertrauen…
    Und ich bin mir nicht sicher, ob die sms meiner Tochter Magdalena kurz nach unserer Bergung für mich Gültigkeit haben soll: “Papa, ich glaub, das war ein Zeichen und du solltest es kein drittes Mal versuchen”!
    Wenn du also mal ein paar freie Tage hast, sollten wir vielleicht mal kurz in die Schweiz schauen…nur so…könnten ja…möglicherweise… ;-)

    lg michl

    • 8-) ja – jetzt ist es ein Projekt… :-) wann hast Zeit?