Eisklettern in Südtirol


futura-47

Ein freies Wochenende stand vor der Tür. Ich war fit und alle Verletzungen waren ausgeheilt. Das Wochenende davor konnte ich gemeinsam mit Jürgen bereits im Maltatal ein wenig Strom tanken. Wie immer packte ich am Vorabend.
 



Futura in Sappada, sehr schön und kurze Zustiege

Futura in Sappada, sehr schön und kurze Zustiege

Ich stopfte die frische Wäsche in meinen frisch geklebten Rucksack. Gamaschen, Handschuhe, Goretex Hose alles war repariert und geflickt. Um 17:00 startete ich mit Hubert Richtung Drautal. Dort trafen wir uns mit Franz und seiner Freundin. Bei ein paar Bier gab es die neuesten Gschichtln übers Klettern, Jagen und Pferde. Ja, da prallten die verschiedenen Welten aufeinander. Aber nach meinem vierten Bier hieß es dann ab in die Federn.

Hubert in der ersten Seillänge

Hubert in der ersten Seillänge

Um 06:00 läutete der Wecker. Nach einem super Frühstück ging es bei leichtem Schneefall nach Kötschach Mautern und von dort nach Sappada. Ein super Eisklettergebiet mit ein paar leichten und knackigen Linien. Die Zustiege waren alle sehr kurz. In 5-10 Minuten ist man bei jedem Wasserfall. Unser erster Wasserfall war der Futura. Ein kleines Projekt von Hubert. Eine imposante Kerze bildete die Schlüsselseillänge.

Die Schlüsselseillänge, eine verdammt lässige Linie

Die Schlüsselseillänge, eine verdammt lässige Linie

Hubert stieg die erste und ich die zweite Länge. Ziemlich flott waren wir oben. Die Säule stand super da und war trocken. Während ich Hubert nachsicherte, suchte ich mir die Linie. Steil und kraftig, aber möglich. Oben wählten wir dann noch einen optimalen Stand und dann ging es los. Vorsichtig arbeitete ich mich höher und setzte die erste Schraube. Ich fühlte mich gut, auch wenn ich die vier Bier vom Vortag ein wenig spürte. Immer wieder schüttelte ich meine Hände aus und gemütlich stieg ich die fette Linie durch.

perfektes Abseilen an Bäumen mit alten Seilen und Rapid Gliedern

Perfektes Abseilen an Bäumen mit alten Seilen und Rapidgliedern

Die 60 Meter waren ganz schön knackig, aber unter super Bedingungen. Hubert gratulierte mir zu meinem Vorstieg und stieg die letzte Länge. Die Standplätze sind immer gute Bäume und an Rapidgliedern ging’s wieder Richtung Einstieg. Von Martin hatte ich eine Abalakov Lehre von Black Diamond bekommen, die wir gleich testeten. Ein feines Tool, näheres dazu unter Materialtests. Beim Auto unten entscheiden wir uns noch für den leichteren Fall, den Lacrime Ibernate WI 4+ gegenüber.

der Fall gegenüber Lacrime Ibernate WI 4+

Der Fall gegenüber Lacrime Ibernate WI 4+

Um über den Fluss zu kommen, gab es ein fixes Stahlseil. So konnten wir uns problemlos auf die andere Seite schieben. Leider hatte ich keinen alten Karabiner mit und so hat sich das Stahlseil in meinem Mammut Karabiner verewigt. Extrem was da für ein Abrieb entsteht von zwei mal rüberziehen. Der Fall war richtig gemütlich. Tolles Eis und eine sehr schöne Linie.

am Stahlseil war das überqueren kein Problem

Am Stahlseil war das Überqueren kein Problem

Dieser endet dann in einer Art Höhle. Die Aussicht war toll. An zwei geschlagenen Haken und einem Bohrhaken ging es dann wieder hinunter. Die Stände waren perfekt eingerichtet. Immer redundant und mit Rapidgliedern oder einem Schnapper.

Hubert bei Abseilen aus der Höhle

Hubert bei Abseilen aus der Höhle

Bei jetzt doch schon stärkerem Schneefall ging es Richtung Cortina d’Ampezzo. Dort suchten wir uns ein billiges Quartier (35€ ohne Frühstück und Rechnung). Na ja billig ist was anderes, aber wir konnten unser Zeug trocknen und MTV auf Italienisch fernsehen. Aus ein paar Quellen hatte ich gehört, dass sich in der Nähe von Cortina ein tolles Eisklettergebiet befindet.

das Travenanzestal ist eine Perle - Landschaftlich wunderschön

Das Travenanzestal ist eine Perle - landschaftlich wunderschön

Das Travenazestal in den Ampezzaner Dolomiten und das wollte ich mir unbedingt ansehen. Hubert musste ich nicht lange überreden. Ganz im Gegenteil, er war, wie immer, sehr gut vorbereitet und hatte Führer und Kopien mit. Wieder läutete der Wecker sehr früh am morgen. In unserem Zimmer, das mittlerweile den typischen Bergsteigergeruch hatte, frühstückten wir Brot, Käse und einen super Vollkornkuchen von Tine.

der Zustieg ist jedoch ganz beachtlich - gute zwei Stunden muss man einrechnen

Der Zustieg ist jedoch ganz beachtlich - gute zwei Stunden muss man einrechnen

Dann packten wir uns zusammen und suchten den Parkplatz für unsere nächste Tour. Im Alpine Ice Führer ist die Beschreibung zwar recht spärlich, aber wir fanden ihn schließlich. Die 180° Kurve ist nicht zu übersehen. Von dort geht es über Waldweg Richtung Loipe und ganz gut beschildert ins Travenazestal. Der Zustieg ist lange und bei viel Schnee nur mit Tourenski möglich, aber es zahlt sich aus. In einem sehr einsamen Tal ziehen die Wasserfälle 200 Meter in die Höhe. Sehr beeindruckend!

endlich am Einstieg vom Wasserfall, Hubert bei fertigmachen für´s klettern

Endlich am Einstieg vom Wasserfall, Hubert bei fertigmachen für´s klettern

Über fette Lawinenkegel suchten wir uns mühsam den Weg zu unserer Tour. Wir planten die Sogno Canadese. Ein Eissystem von mehreren Vorhängen und Säulen mit gewaltigen 200 Metern. Vorerst ging es noch über ein heikles Schneefeld Richtung Einstieg. Dort suchten wir uns ein sicheres Platzerl zum umziehen. Ich wechselte die Schitouren Ausrüstung gegen mein Kletterzeug. Trank noch einen Schluck warmes Wasser, Tee hatten wir keinen, und stopfte mir noch ein Snickers rein.

am Einstieg, jetzt wird´s ernst

Am Einstieg - jetzt wird´s ernst

Dann ging’s in die erste Seillänge. Meine Unterarme waren bald aufgeblasen und ich kämpfte schon in den ersten Metern. Zach – ich glaube ich werde alt *g*. Pah, jetzt könnte ich irgendwo im warmen sitzen, gemütlich was futtern vielleicht noch ein wenig schlafen und gemütlich ein Buch lesen. Ein Spinndrift rinnt mir in meinen Nacken. Ich ziehe meine Kapuze über den Helm. Schüttl meine Hände, weil ich meine rechte Hand fast nicht spüre. Setze noch eine Schraube und weiter.

auf 1600m Seehöhe ist es um einiges kälter als am Vortag

Auf 1.600 m Seehöhe ist es um einiges kälter als am Vortag

Ich hakle mich bis zum ersten Vorbau. Das Wasser rinnt über mich und ich suche Schutz in einer Nische. Passt – super Standplatz. Ich sichere Hubert nach und schaue nach rechts, wo eine Säule hinaufzieht. Es rinnt extrem viel Wasser und das Eis schaut nicht sonderlich gut aus. Doch nach längerem Hinschaunen, denk ich mir das muss gehen. Irgendwie finde ich plötzlich einen Weg und denke mir das kann gehen. Hubert kommt zu mir auf den Stand und sagt: “Was jetzt“? Ich schaue nach rechts und sag: „Das könnte gehen“. Er schaut mich fragend an. Ich: “Ich probier´s.“ Er, er habe nicht’s dagegen. Fein säuberlich klicke ich mir alles auf den Gurt. Ich weiß genau, wo ich welche Schraube habe und stehe in den Startlöchern.

eine super steile Seillänge

Eine super steile Seillänge

Ich mache mich wasserdicht und los. Wie unter der Regendusche in der Therme, nur mit dem Unterschied, dass es ca. -6°C hat. Ich klemme mich hinter die Säule und versuche eine Schraube zu setzten. Das Eis ist komplett hohl. Hm – ich setzte eine lange Schraube im Grund, die perfekt sitzt. Hält wahrscheinlich auch mein Auto wenn ich’s anhängen würde *g*. Verlängere diese mit zwei Bandschlingen und los. Da muss ich jetzt schnell durch. Schrauben bringen da nicht viel. Meine gewählte Linie geht voll auf. Das Wasser wird weniger und ich bin durch den zachen Teil durch.

Hubert hackelt sich die steile Länge hinauf

Hubert hackelt sich die steile Länge hinauf

Mit den waschelnassen Handschuhen setze ich eine Schraube und klettere weiter. Ein gutes Gefühl. Nach 50 Metern mach ich wieder Stand. Jetzt ist es trocken, aber auch eine Spur kälter. Der Wind pfeift und feiner Schnee machen das nach oben schauen nicht gerade angenehm. Wieder mach ich Stand in einer Nische. Ich sichere Hubert nach, der sich auch ganz schön plagen muss. Am Stand wird es jetzt kälter und ich ziehe meine Daunenjacke an. Hubert bereitet sich für die nächste steile Länge vor. Wir schauen uns an und sind uns einig. Ganz schön zach bis jetzt. Souverän wie immer klettert Hubert die steile 5+.

Hubert in der nächsten steilen 5er Länge

Hubert in der nächsten steilen 5er Länge

Er klettert das Seil ganz aus. Ich klettere nach und merke, dass ich müde bin. Der Kopf ist leer und der Körper arbeitet automatisch. Ich mache mich fertig für die letzte Seillänge. Diese ist zwar nur mehr 4+, aber das reicht mir. Ich setzte um einiges mehr Schrauben als ich sollte/müsste. Aber ich kämpfe mich durch. Geil. Ich knalle zwei Standschrauben rein und sichere Hubert nach. An drei Abalakov Sanduhren seilen wir über den Fall wieder ab.

abseilen über den Fall mit ein paar Abalakov und ein paar alten Seilstücken kein Problem

Abseilen über den Fall mit ein paar Abalakov und ein paar alten Seilstücken kein Problem

Die Stimmung ist recht mystisch. Der Wind pfeift. Die Sonne versteckt sich hinter einer tiefen Nebeldecke und der Wasserfall leuchtet in einem kräftigen blau, wie ich es selten gesehen habe. Nach ein paar Schlucken warmen Wasser und einem Stück Kuchen machen wir uns auf den Rückweg. Anfangs müssen wir uns noch eine wenig quälen und dann geht’s mit den Schiern hinunter. Landschaftlich sehr beeindruckend. Ich lasse die Schier durch den Wald gleiten und bin froh über jeden Schritt, den ich nicht zu Fuß gehen muss.

Hubert beim überqueren von einem Bach

Hubert beim überqueren von einem Bach

Meine Bindung ist hinten offen, um im flacheren Gelände gehen zu können. Plötzlich kommt ein Mugel. Dann gleich ein zweiter. Ich merke wie es mich aushebt und ich nach vorne wegkippe. Ich falle mit der Schulter voll auf den Boden und der schwere Rucksack schiebt noch kräftig an. Meine linke Schulter kracht ein wenig. Ich stehe auf und spüre meine Schulter ein bisschen. Aber ich kann alles bewegen und denke mir: “Glück gehabt“. Am Parkplatz feiern wir ein wenig unseren super Tag. Nach 10 Stunden waren wir wieder beim Auto.

ein super Tag

Ein super Tag

Wir wechselten Quartier und planten unseren nächsten Tag. 06:30 der Wecker läutete und meine Schulter schmerzte. Ich konnte meine linke Hand nicht nach oben bewegen. Sch… was ist jetzt los?! Keine Chance. Eisklettern konnte ich an diesem Tag vergessen. Hubert war ziemlich cool und nahm es gelassen. Ich checkte meinen Körper und merkte, dass ich nur beim Heben der Hand ein Problem hatte. Somit sollte eine Schitour gehen. Gesagt getan, fuhren wir nach einem italienischen Frühstück Richtung Passo di Giau.

ein wahnsinns Tag!

Ein Wahnsinns-Tag!

Von dort fuhren wir hinunter zum Formintal, wo unsere Schitour startete. Eine schöne Tour bei herrlichem Wetter. Sonne und blauer Himmel. Meine Schulter funktionierte perfekt solange ich meine Hand nicht nach oben bewegte. Mit einem Gipfel und schöner Aussicht wurden wir wirklich belohnt. Danach suchten wir die Abfahrt, die wir auch gleich fanden. In Summe super Schnee. Bei einem steileren Stück waren wir vorsichtig.

Gipfelsieg bei super Wetter

Gipfelsieg bei super Wetter

Hubert blieb vorher stehen und ich testete den Hang. In der Mitte gab es plötzlich ein Kawumm. Ich kannte das Geräusch und auch die Situation. Ich spürte wie der Hang in Bewegung kam und versuchte nach links hinauszufahren, was mir zum Glück auch gelang. Der restliche Hang rauschte neben mir vorbei. Ich fuhr weit nach links und suchte unten einen sicheren Punkt. Von unten lotste ich Hubert nach rechts in’s flachere Gelände. Von dort stiegen wir wieder auf und machten uns auf den Heimweg.

Glück gehabt- din da gerade noch nach links rausgekommen :-)

Glück gehabt - bin da gerade noch rausgekommen :-)

In der warmen Wintersonne ging es zu Scharte. Dort gab es dann noch einen Wald mit massig Pulverschnee. Genial. Über diesen zog ich hinunter. Für das letzte Stück musste ich zwar noch mal anfellen, aber es hat sich echt ausgezahlt. Nach einer guten Jause ging es dann nach Lienz, wo wir Peter abholten. Nach einem guten Kaffee und Kuchen beim Peter fuhren wir zu dritt heim. Hubert übernahm die Autofahrt, da meine Schulter nicht ganz das machte, was ich wollte.

zum Glück nur ein Muskeleinriss und eine Bänderzerrung :-)

Zum Glück nur ein Muskeleinriss und eine Bänderzerrung :-)

Am nächsten Tag war meine Hand noch immer sehr beleidigt. Nach einem Röntgen stellte sich heraus, dass ich einen Muskeleinriss und eine Zerrung erlitten habe. Zum Glück kein Bruch oder ähnliches. Auf jeden Fall heißt es jetzt ein wenig ruhe geben und weniger klettern. Somit kann ich auch das nächste Wochenende ohne schlechtes Gewissen ruhig angehen.

Die Bilder zu den Touren gibt es in meinem Tourenbuch.

  1. Jürgen am 11. Februar 2010

    Schaut alles ziemlich zach aus, bist in guter Kondi heuer.
    Nur das mit die Lawinen müssn ma noch in den Griff kriegen. Jedes Jahr eine – is a bissal zuviel!!!

  2. michl am 10. Februar 2010

    Du wirst wirklich alt!
    Und mit offener Bindung fahren muß ich dir auch noch lernen!!!
    Kann man dich nie alleine weg lassen? :-))

    Gute Besserung- und bin gespannt, wann ich mal das Vergnügen haben werde…

    lG

    michl

  3. Wie immer geniale Bilder – da wird mir richtig kalt beim Anschaun :) Wünsch da auch a gute Besserung – schaug lei, dass bis nächste Woche wieder fit bisch!

    lg Peter

  4. Jo, Jo, de jungen “Buam” immer müssens die Ersten sein. War aber trotzdem ein super Wochenende. Muast nur schauen dast schnell gesund wirst weil sonst überholt dich noch der alte Mann.

  5. Hej Flo,
    wünsche dir baldigste genesung!

    ligrü Nina

  6. Markus am 9. Februar 2010

    bitte Flo pass auf, du wirst Vater, und außerdem will ich auch noch mit dir kraxeln ;-)
    nochmals schnelle Erholung
    Markus